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Artikel in HKM 9-10/2009:
Die Gamsbleamlhöhle (1815/361) – ein Höhlensee im Dürrenstein
von Reinhard und Walter Fischer, Thomas Gundacker
Vorgeschichte:
Bei einer Schi-Steilabfahrt am 18.4.2009 durch die Eisenstattrinne am
Dürrenstein konnten Michi Behm, Werner Mache und Reinhard
Fischer am gegenüberliegenden Hang in den Buchmäuern einige
Portale sichten, welche Reinhard Fischer am 2.5.2009 erkunden wollte.
Doch bereits am Weg dorthin öffnete sich inmitten der mit
Aurikel übersäten, augenscheinlich dolomitischen
Steilschrofen plötzlich der Einstieg in die sobenannte
Gamsbleamlhöhle. Hinab geworfene Steine verursachten vorerst
unerklärliche Groll- und Grunzgeräusche. Wie sich
herausstellen sollte, war die Ursache nicht ein höhlenbewohnender
Drache, sondern die Wellenbewegung im bisher größten
bekannten natürlichen unterirdischen See Niederösterreichs,
welcher von Thomas Gundacker in seiner gesamten Ausdehnung schwimmend
erkundet wurde. Später wurden auch die während der
Schiabfahrt gesichteten Portale erklettert, welche sich jedoch
lediglich als zwei ca. 5 m bis 6 m lange Halbhöhlen
entpuppten, die noch der Vermessung harren.
Lage:
Der Eingang liegt im Bereich der Buchmäuer südlich des Noten
(Kote 1640 in ÖK50/71) in der orogr. rechten Flanke des
Büllenbachgrabens. Er ist am Orthofoto des
Niederösterreich-Atlas der Internet-Seite der
Niederösterreichischen Landesregierung eindeutig lokalisierbar.
Zustieg:
Der Zustieg erfolgt vom Ende der öffentlichen Straße im
Steinbachtal bei Göstling an der Ybbs (Schranke mit
Fahrverbotsschild) in 612 m Seehöhe. Man wandert nun auf
einer Forststraße in östliche Richtung in den
Hundsaugraben - an zwei Abzweigungen vorbei – bis zu jener
Stelle, wo kurz vor einer kleinen Hütte bzw. Brücke (Kote
668; ab hier Naturschutzgebiet) linkerhand ein steiler Karrenweg
abzweigt
1.
Dieser führt am orogr. rechten Hang des Büllenbaches
aufwärts, bis er – nach oben hin durch Lawinenschäden
immer schlechter werdend – in einer Seehöhe von ca. 870 m
endgültig endet. Von hier kann man im lichten Wald teilweise
sehr steil bis zu sperrenden Felsbildungen schräg links
(nördlich) ansteigen (östlich befindet sich ein steiler,
gestufter Graben). Die Felsen östlich umgehend, erreicht man
nach weiteren 50 Höhenmetern, zuletzt in leichter Kletterei, den
in einer Schrofenwand liegenden, geräumigen schachtartigen
Einstieg.
Basisdaten:
Kat. Nr. 1815/361, L 192 m, H 51 m (-41 m,
+10 m), HE 58 m, Sh 1180 m.
Raumbeschreibung:
Der Einstieg ist 6 m breit und rund 4 m tief und kann im
Mittelteil durch einen kleinen Einschnitt abgeklettert werden (8 mm
Spit, ev. Halteseil). Man befindet sich nun in der 15 m langen,
durchschnittlich 8 m breiten und bis zu 8 m hohen
Eingangshalle mit trichterförmig steil nach NW abfallendem
Sediment- und Erdboden. Durch das einfallende Tageslicht sind die
Wände stark bemoost und auch der Boden begrünt. Mit einer
8 m tiefen Stufe bricht der Raum im Nordwesten bei einem
canyonartigen Einschnitt in den ca. 8 m durchmessenden
„Saugrunzerschacht“ ab (8 mm Spit an der
südwestlichen Wand). Man erreicht die sowohl nach SW als auch
nach NO mehrere Meter steil abfallende „Große
Naturbrücke“, die an beiden Seiten zum Höhlensee
abbricht. Am höchsten Punkt lagert ein riesiger Block. Die
Raumhöhe beträgt hier über 20 m. Durch einen
schmalen Schacht-Einschnitt in der Naturbrücke ist es möglich,
10 m zum Ufer des Sees abzuseilen (8 mm Spit unter der
Kante), welches allerdings bei größerem Wasserangebot (im
Frühjahr 2009) noch mehrere Meter unter Wasser liegt. Vom
erreichten Punkt erstreckt sich der hier rund 5 m breite See ca.
6 m seicht nach SSW, in die Gegenrichtung fällt der unter
Wasser liegende Schuttboden bald steil ab und der See dehnt sich
breiter werdend noch bis zu 20 m weit aus. Insgesamt erstreckt
sich der See über eine Fläche von rund 170 m². Am
Nordende wurde bei der letzten Tour am 21.6.2009 eine Wassertiefe von
über 10 m gelotet. Im Nordostteil befindet sich hinter
einer kleinen Naturbrücke ein östlich ansetzender, noch
unerforschter Schlotbereich. Eine in der nördlichen Raumbegrenzung
der Eingangshalle befindliche, mehrere Meter lange, kleinräumige
Kluftfortsetzung bricht ebenfalls in den See ab.
Im Südwesten der Eingangshalle setzt mit einem knapp 7 m breiten Gang der
Horizontalteil der Höhle an. Der Sedimentboden steigt zunächst
noch etwas an, bevor er bei einer Bückstelle leicht abzufallen
beginnt und in einen groben Blockboden übergeht. Nördlich
kann durch einen 20 m tiefen Schacht (8 mm Spit in der
nördlichen Begrenzung und 8 mm Spit bei Umsteigstelle in
7 m Tiefe) ebenfalls das Südwestende des Sees erreicht
werden und in Höhe der Umsteigstelle zur „Großen
Naturbrücke“ gequert werden. Die Horizontalstrecke führt
mit Raumhöhen von bis zu 8 m von der Eingangshalle 20 m
in südwestliche Richtung, wird durch ein Felsenfenster, welches
entweder einfach durchklettert oder schliefend unterfahren werden
kann, unterbrochen und setzt sich dahinter etwas schmäler mit
ca. 5 m Breite noch 8 m weit fort. Vor dem Felsenfenster
befinden sich an der westlichen Raumbegrenzung ein noch nicht
erkletterter, zumindest 15 m hoher Schlot (Messung mit
Laser-Entfernungsmesser) sowie ein kurzer, engräumiger
schlotartiger Canyon mit einer kleinen Brücke aus
Gesteinsbrekzie beim Beginn. Am Ende des Horizontalteiles und in
Seitennischen finden sich kleine Tropfsteine und hübsche
Wandsinterbildungen. Schließlich ist durch eine ausgeräumte,
2 m tiefe Öffnung im Bodenblockwerk noch eine 10 m
lange, versturzgeprägte, nach SSO ziehende kleinräumige,
teils unterlagernde Strecke zugänglich. Am Tag der Vermessung
(9.5.2009) war hier eine deutliche auswärtsgerichtete
Wetterführung spürbar. Im Bereich des Felsenfensters wird
die östliche Raumbegrenzung von einer Brekzie gebildet, welche
an einer Stelle eine Art „Randkluft“ ausgebildet hat, in
die man sich eine Körperlänge weit hineinzwängen kann.
Verregneter Sommer? Auf ins Hallenbad!
Sonderbare Geräusche hinabgeworfener Steine – namensgebend für
den Saugrunzerschacht – dies ließ
eine erhebliche Wasseransammlung erwarten. Am 9. Mai brachen Peter,
Reinhard und Thomas zum ersten Ausflug ins „Hallenbad“ am
Dürrenstein auf. Nach kurzer Rast im eingangsnahen Bereich
folgte schließlich die Erkundung des ersten Schachtes. Nach
einer kurzen Abseilstrecke zeigte sich eine schöne große
Wasserfläche. Leider war kein einfacher Einstieg ins Wasser
möglich, es ging praktisch direkt vom Seil ins kühle Nass.
Beim damals vorgefundenen Wasserstand wäre ein kleines
Schlauchboot zum Ablegen von Material von Nutzen gewesen. Passend
zum Saugrunzerschacht, war das Wasser – nicht zuletzt auf Grund
der fortwährenden Schneeschmelze – wirklich saukalt. Aber
Dank englischem Höhlentraining ans kühle Naß
gewohnt, war das Bad für Thomas eine willkommene Erfrischung
nach dem schweißtreibenden Zustieg.
Mangels Neoprenhandschuhen erwies sich eine ungewöhnliche
Rückenschwimmtechnik als die einzig brauchbare, nämlich
Wassertreten mit den Händen über Wasser. Unter der „Großen
Naturbrücke“ hindurch ging es in den bis 20 m breiten
Saugrunzerschacht. Das Licht vom Eingangsbereich beleuchtete noch
schwach die Decke und durch das tiefe, klare Wasser entstand beinahe
der Eindruck, mitten durch den großen Schacht zu schweben. Die
langsam vorbeiziehenden Schlotfortsetzungen machten die Durchquerung
des Sees zu einem wirklich beeindruckenden Erlebnis. Leider wurden
außer einiger Schlote keine weiteren Fortsetzungen
vorgefunden. In der Hoffnung auf einen niedrigeren Wasserstand nach Ende der
Schneeschmelze wurde Ende Juni der nächste Höhlenbesuch
geplant. Mit Schnorchel, Taucherbrille, Flossen, Taucherlampe,
Neoprenanzug und einem kleinen Schlauchboot als „Materialinsel“
bestens ausgerüstet für einen erfolgreichen „Badetag“,
brachen wir am 21. Juni nochmals Richtung Gamsbleamlhöhle auf.
Nach einer kurzen Oberflächenbegehung rund um den Höhleneingang
war es zunächst einmal Zeit für eine gute Jause. Der
riesige Brunnen(?)kresseteppich, der den Schuttkegel des
Eingangsbereichs der Höhle bedeckt, eignete sich übrigens
ausgezeichnet dazu, den zähen Käsebroten eine gewisse
Frische zu verleihen. Ein erster Steinwurftest führte zwar zu
weniger Lärm als bei früheren Besuchen, ein deutliches
„Platsch“ ließ aber doch schnell klar werden, daß
die Schwimmausrüstung nicht umsonst auf den Berg geschleppt
worden war. Nach einer ausgiebigen Foto-Session im Horizontalteil
seilten wir uns durch den Saugrunzerschacht in unser „Hallenbad“
ab. Interessanterweise war der Wasserstand um 3 m abgesunken,
und dadurch auch ein kleiner „Strand“ in einer Ecke des
Sees freigeworden. Ein sorgfältiges Abschwimmen des Seeufers
zeigte aber leider auch diesmal keine trockene Fortsetzung. Unter
Wasser wurden dank guter Sicht von ca. 5 m - 7 m sehr
großräumige, schräg nach unten führende
Schachtbereiche sichtbar. An einer Stelle am nördlichen Rand des
Saugrunzerschachts konnten sogar über 10 m Wassertiefe
gelotet werden!
Da auch beim 2. „Badetag“ keine Anzeichen einer
„Minimalwasserstandsmarkierung“ sichtbar waren, ist zu
erwarten, daß der See in den trockenen Sommermonaten noch
weiter an Wasser verlieren wird. Es bleibt abzuwarten, ob dadurch
vielleicht eine Fortsetzung frei wird. Einem sehr interessanten Ziel
für Höhlentaucher stellt sich in diesem Fall nur der sehr
steile Zustieg zur Höhle in den Weg.
Schlussbemerkungen:
Die Höhle ist in ihrer Art (zumindest) für das
Dürrensteingebiet bzw. Niederösterreich eine Besonderheit.
Die wenigen bisherigen Befahrungen haben gezeigt, daß der
Wasserpegel des Sees starken Schwankungen unterliegt, sank er doch
zwischen der Fahrt am 9. Mai und jener am 21. Juni um ca. 3 m
ab. Durch ein weiteres Absinken könnten weitere Fortsetzungen
zugänglich werden. In den bisher befahrbaren Bereichen konnte
kein nennenswerter Zufluss festgestellt werden. Neben dem See stellen
sowohl das umgebende Gestein (Dachsteindolomit)
und die Sedimente als auch die Flora im Eingangsbereich interessante
Ansatzpunkte für weitergehende wissenschaftliche Forschungen
dar.
Die Vermessung der Höhle erfolgte am 3.5.2009 durch R.
u. W. Fischer, am 9.5.2009 durch R. Fischer, T. Gundacker und P.
Kalsner und am 21.6.2009 durch R. u. W. Fischer und T. Gundacker.
1 Neben der Aurikel trifft man im Frühjahr auch auf eine Vielzahl weiterer blühender Blumen, die schon für sich einen Besuch lohnen. Allerdings ist zu beachten, dass hier das Wildnisgebiet Dürrenstein, ein streng geschütztes Naturreservat beginnt. Nähere Informationen dazu unter www.wildnisgebiet.at.
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