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Artikel in HKM 5/2006:
Die Höhlen am Predigtstuhl und im Lärchengraben im Dürrensteingebiet (Katastergruppe 1815)
von Reinhard und Walter Fischer
Zusammenfassung:
Anläßlich der Auffindung von 10 neuen Höhlen am Predigtstuhl und im Lärchengraben im Dürrensteingebiet im Sommer und Herbst 2005 durch Wolfgang Fahrenberger und die Verfasser soll im folgenden Bericht neben der Beschreibung der neuen Objekte ein Gesamtüberblick über alle Höhlen des betreffenden Gebietes gegeben werden. Dies ist gleichzeitig ein Streifzug durch über drei Jahrzehnte Höhlenforschung am Dürrenstein sowie eine Grundlage für zukünftige Arbeiten im intensiv verkarsteten Untersuchungsgebiet, in dem durchaus noch weitere Entdeckungen zu erwarten sind.
Der Höhenrücken des Predigtstuhles, im Vordergrund die Abstürze zur Lueg, etwa in Bildmitte das Roßeck |
Untersuchungsgebiet:
Folgende grobe Umgrenzung wurde für das Untersuchungsgebiet Predigtstuhl und Lärchengraben gewählt: Im Westen die Kammlinie vom Springkogel (ca. 1680 m) zum Roßeck (1661 m); im Norden ein vom Roßeck nach Osten abwärtsziehender, schwach ausgeprägter Graben, der in ca. 1400 m Seehöhe in den untersten Teil des Lärchengrabens mündet; im Osten der Steilabfall zum Obersee in einer Seehöhe von ca. 1300 m; im Süden die Abstürze vom Predigtstuhl hinab zur Lueg. Die Gesamtfläche des Gebietes beträgt etwa 0,7 km2.
Nachfolgend soll eine kurze karstkundliche Charakterisierung, zusammengefaßt aus FINK (1973), des Untersuchungsgebietes gegeben werden.
Der Höhenrücken des Predigtstuhles ist gekennzeichnet durch flache Lagerung der Dachsteinkalkbänke, was zu einem eindrucksvollen karrenzerfurchten Schichttreppenkarst Anlaß gibt. Die mächtigen Kalkbänke werden förmlich von einem Netzwerk von kluftgebundenen Karstgassen durchzogen. Eine dieser Karstgassen durchörtert auf rund 600 m Länge in NO-Richtung den Predigtstuhl und reicht bis zur großen Karstmulde im Lärchengraben. Von dieser bedeutenden Karstgasse setzt im rechten Winkel dazu gegen NW eine Schar paralleler Karstgassen von geringer Länge an. Eine ebenfalls deutlich entwickelte Karstgasse verläuft in NW-SO-Richtung vom Sattel südlich des Roßecks etwa 500 m weit über das Plateau des Predigtstuhles. Daran und an benachbarte Karstgassen ist an den Kreuzungsstellen mit Querklüften eine Reihe von Schächten und Schachtdolinen geknüpft. Weiters kommen steilwandige Trichterdolinen vor, gegen den Springkogel zu sind auch Mulden- und Wannendolinen zu beobachten.
Der Lärchengraben beginnt als polygenetisches Karsttrockental, stark glazial überprägt und im oberen Teil noch Kerbtalcharakter aufweisend, dessen episodisch abfließende Wässer (nach sehr ergiebigen Starkregen und zur Schneeschmelze) in offenen Ponoren und Dolinen an der Grabensohle versinken. Im oberen Teil befindet sich in 1525 m Seehöhe an der Tiefenlinie eine episodisch aktive Schwinde in Form einer kleinen Höhle mit schachtartiger Öffnung (Lärchengrabenponor 1815/110). An jener Stelle, wo der Lärchengraben den Bereich des Plateaus verläßt und das obere Seetal erreicht, ist eine eindrucksvolle Karstmulde im Dachsteinkalk zur Ausbildung gelangt. Die polygenetische Form, an deren Entstehung sowohl glaziale Übertiefung als auch die Verkarstung beteiligt waren, ist über 200 m lang und bis zu 100 m breit, die obere Begrenzung der Karstmulde liegt 1400 m, die untere 1360 m hoch.
Neue Höhlen:
Die Vermessung der im folgenden beschriebenen Höhlen erfolgte am 13.8.2005, am 15.10.2005 und am 12.11.2005 durch die Verfasser. Im oberen Bereich des Predigtstuhles befindet sich nordwestlich des Predigtstuhlschachtes XVI, nahe dem Übergang in den obersten Teil des Lärchengrabens ein kleines Höhlengebiet mit den Predigtstuhlschächten XXII bis XXIV.
Am nordwestlichen Ende einer Latschengasse öffnet sich der
Predigtstuhlschacht XXII (1815/344), L 16 m, H -14 m, Sh 1560 m.
Am Grund einer kleinen, 3 m tiefen Schachtdoline, deren Grund von der Ostseite über Blöcke absteigend leicht erreicht werden kann, befindet sich hinter einem großen Block der eigentliche Einstieg. Die Schachtdoline geht hier in eine Richtung NW ziehende Störung über, die sich nach unten zu einem schmalen Kluftschacht weitet. Engräumig 3 m tief abkletternd gelangt man in eine kleine Kammer, die von zahlreichen, zum Teil labilen Klemmblöcken geprägt wird. An der linken (südwestlichen) Raumbegrenzung setzt ein Schluf an, der steil abwärtsführend in einen 6 m tiefen Schacht übergeht, dessen blockbedeckter Grund etwa 1 m mal 1,5 m groß ist.
Unmittelbar nordöstlich von einem 2 m hohen Felstürmchen, 25 m südöstlich vom Predigtstuhlschacht XXII befindet sich der
Predigtstuhlschacht XXIII (1815/345), L 5 m, H -5 m, Sh 1560 m.
Die West-Ost verlaufende, bis 1,5 m breite und 4 m lange Schachtöffnung bricht zum nach Osten hin leicht ansteigenden Humusboden 5 m tief ab.
Im Latschendickicht, wenige Meter östlich vom Predigtstuhlschacht XXIII, liegt versteckt der
Predigtstuhlschacht XXIV (1815/346), L 7 m, H -7 m, Sh 1560 m.
Dieser Schacht ist an einer Kreuzung von W-O zu SSW-NNO orientierten Klüften angelegt. Der latschenüberwucherte 8 m lange Schachtmund, im westlichen Bereich knapp einen halben Meter breit, weitet sich im Bereich der Kluftkreuzung auf bis zu 3 m und wird, wieder etwas schmäler werdend, an der Ostseite durch eine Doline angeschnitten. Auf diese Weise kann man über ein Band in der steilwandigen Doline, an einigen großen Blöcken vorbei, leicht in den Ostteil des Schachtraumes einsteigen. Der westliche, schmale Schachtteil bricht weitere 3 m tief zum sedimentbedeckten Grund ab. Hier befinden sich in den Schachtwänden schön auskorrodierte Exemplare der Riesenmuschel Megalodus.
Kuhtrittmuschel im Predigtstuhlschacht XXIV 1815/346 |
Einstieg des extrem engen Karrenschlitzschachtes 1815/353 |
Auflistung aller Höhlen im Untersuchungsgebiet:
Mit Anfang 2006 sind insgesamt 42 Höhlen im Untersuchungsgebiet erfaßt. Dabei handelt es sich mit Ausnahme des Lärchengrabenschlufes durchwegs um Schächte bzw. schachtartige Höhlen. Nennenswerte horizontale Abschnitte finden sich im Lärchengrabenschacht II, im Tannenschacht sowie im Predigtstuhlschacht XIV.
Die drei bedeutendsten Höhlen sind:
Kanzelschacht 1815/200 (L = 107 m, H = -57 m)
Tannenschacht 1815/105 (L = 79 m, H = -23 m)
Mystacinusschacht 1815/201 (L = 48 m, H = -28 m)
Die Lage der Höhlen wurde durch Außenvermessungen (AV), Vergleichen mit der Österreichischen Luftbildkarte 1:10000 und/oder GPS-Einmessung ermittelt und kann mit Genauigkeiten von ± 8 m bis ± 22 m angegeben werden.
Eine umfangreiche Außenvermessung im oberen Bereich vom Predigtstuhl, die 24 Höhlen verbindet, wurde von
R. Cudy, W. Hartmann, W. Morgenbesser (1977),
W. Fahrenberger, H. u. W. Hartmann, W. Morgenbesser (1984) und
W. Fahrenberger, R. u. W. Fischer (1991, 1992)
durchgeführt.
Im Bereich der Außenvermessung wurde der Kanzelschacht nachträglich mittels GPS eingemessen und bei den angeschlossenen Höhlen eine angenommene Ungenauigkeit von etwa ± 2 m pro 100 m Meßzugslänge zum Ausgangswert beim Kanzelschacht addiert.
Die Genauigkeit der Seehöhen, deren Ermittlung mit barometrischem Höhenmesser und aus Vergleichen mit der Österreichischen Karte (ÖK50, Nr. 71 bzw. Software AMAP2.0) durchgeführt wurde, beträgt etwa ±10 m.
Lediglich der, ca. 100 bis 150 m OSO der Lärchengrabenschachte I-III liegende Lärchengrabenschacht IV konnte nicht wieder aufgefunden werden, seine genaue Lage ist daher ungewiß. Beim Lärchengrabenschluf und beim Lärchengrabenschacht V mußte die Angabe der Koordinaten und der Seehöhe im Vergleich zum ursprünglichen Bericht korrigiert werden.
Höhlenname | Kat. Nr. | Sh [m] | L [m] | H [m] | Literatur | Anmerkung |
Lärchengrabenschacht I | 1815/102 | 1475 | 18 | -11 | HKM 10/1972, HKM 3/1973, HKM 10/1983 | AV zu 103, 104 |
Lärchengrabenschacht II | 1815/103 | 1475 | 24 | -6 | HKM 10/1972, HKM 10/1983 | |
Lärchengrabenschacht III | 1815/104 | 1475 | 13 | -12 | HKM 10/1972, HKM 10/1983 | |
Tannenschacht | 1815/105 | 1480 | 79 | -23 | HKM 10/1972, HKM 10/1983 | |
Predigtstuhlschacht I | 1815/106 | 1585 | 16 | -16 | HKM 10/1972, HKM 10/1977 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht II | 1815/107 | 1584 | 14 | -10 | HKM 10/1972, HKM 10/1977 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht III | 1815/108 | 1585 | 31 | -14 | HKM 10/1972, HKM 10/1977 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht IV | 1815/109 | 1584 | 7 | -6 | HKM 10/1972, HKM 10/1977 | AV Predigtstuhl |
Lärchengrabenponor | 1815/110 | 1525 | 8 | -4 | HKM 10/1972 | |
Predigtstuhlkluft | 1815/112 | 1581 | 6 | -5 | HKM 10/1972, HKM 10/1977 | AV Predigtstuhl |
Lärchengrabenschacht IV | 1815/181 | 1470 | 16 | -10 | HKM 10/1983 | Nicht aufgefunden |
Kanzelschacht | 1815/200 | 1573 | 107 | -57 | HKM 12/1984 | AV Predigtstuhl |
Mystacinusschacht | 1815/201 | 1575 | 48 | -28 | HKM 12/1984 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht V | 1815/202 | 1581 | 6 | -6 | HKM 12/1984 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht VI | 1815/203 | 1583 | 9 | -9 | HKM 12/1984 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht VII | 1815/204 | 1583 | 5,5 | -5,5 | HKM 12/1984 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht VIII | 1815/205 | 1594 | 7 | -7 | HKM 12/1984 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht IX | 1815/206 | 1594 | 8 | -7,5 | HKM 12/1984 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht X | 1815/233 | 1557 | 8 | -8 | HKM 4/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XI | 1815/234 | 1552 | 14 | -11 | HKM 4/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XII | 1815/235 | 1551 | 5 | -5 | HKM 4/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XIII | 1815/236 | 1552 | 23 | -16 | HKM 4/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XIV | 1815/237 | 1553 | 38 | -13 | HKM 4/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XV | 1815/238 | 1536 | 30 | -15 | HKM 4/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XVI | 1815/239 | 1540 | 12 | -8 | HKM 4/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XVII | 1815/240 | 1533 | 23 | -21 | HKM 4/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XVIII | 1815/258 | 1531 | 14 | -7 | HKM 12/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XIX | 1815/259 | 1532 | 10 | -9 | HKM 12/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XX | 1815/260 | 1535 | 32 | -9 | HKM 12/1992 | AV Predigtstuhl |
Predigtstuhlschacht XXI | 1815/261 | 1536 | 7 | -6 | HKM 12/1992 | AV Predigtstuhl |
Lärchengrabenschluf | 1815/313 | 1355 | 5 | 0 | HKM 2/2000 | neue BMN-Koord., neue Sh |
Lärchengrabenschacht V | 1815/314 | 1490 | 9 | -8 | HKM 2/2000 | neue BMN-Koord., neue Sh |
Predigtstuhlschacht XXII | 1815/344 | 1560 | 16 | -14 | dieser Bericht | AV zu 345, 346 |
Predigtstuhlschacht XXIII | 1815/345 | 1560 | 5 | -5 | dieser Bericht | |
Predigtstuhlschacht XXIV | 1815/346 | 1560 | 7 | -7 | dieser Bericht | |
Predigtstuhlschacht XXV | 1815/347 | 1500 | 26 | -14 | dieser Bericht | |
Predigtstuhlschacht XXVI | 1815/348 | 1500 | 5 | -5 | dieser Bericht | |
Predigtstuhlloch | 1815/349 | 1400 | 5 | -4 | dieser Bericht | |
Lärchengrabenschacht VI | 1815/350 | 1340 | 19 | -9 | dieser Bericht | AV zu 351 |
Lärchengrabenschacht VII | 1815/351 | 1340 | 8 | -8 | dieser Bericht | |
Ameisenschacht | 1815/352 | 1340 | 9 | -9 | dieser Bericht | |
Karrenschlitzschacht | 1815/353 | 1330 | 8 | -8 | dieser Bericht |
Höhlenanzahl in Abhängigkeit von der Seehöhe |
Literatur: