Artikel in HKM 3-4/2022:

Neuigkeiten vom Predigtstuhl im Dürrensteingebiet (Teilgruppe 1815)

von Reinhard und Walter Fischer

Das schöne Sommerwetter im August nützend, wollten wir wieder einmal am Predigtstuhl unser Glück versuchen, gab (und gibt) es dort doch noch immer große, noch nicht höhlenkundlich abgesuchte Bereiche. Außerdem hofften wir, im vor 30 Jahren erforschten Predigtstuhlschacht XVII (1815/240) weiter in die Tiefe vorstoßen zu können. Wir dachten, der Klimawandel hätte den Schnee- und Eispfropfen dort mittlerweile weggetaut. Aber Fehlanzeige - keine wirklich großen Veränderungen. So kämpften wir uns nach durchgeführter Neuvermessung ("wenn wir schon mal da sind ...") durch das Latschendickicht der Umgebung und stießen auf zwei neue Kleinhöhlen, die sogleich vermessen wurden.

Anmerkung:
Der Predigtstuhl liegt zum Großteil im Naturschutzgebiet "Wildnisgebiet Dürrenstein". Die Höhlenforschung in diesem Naturschutzgebiet wird durch eine Ausnahmegenehmigung der Niederösterreichischen Landesregierung ermöglicht. Die Auflagen des entsprechenden Bescheides sind zu beachten (siehe HKM 7-8/2010).

Geologie:
Der rund 1 km lange Höhenrücken des Predigtstuhls liegt 1,25 km nördlich des Dürrensteingipfels (1878 m) und erstreckt sich aus einer Seehöhe von 1600 m im Westen gut 200 Höhenmeter nach Osten abwärts. Er ist ein schönes Beispiel eines Schichttreppenkarsts und liegt zur Gänze im Dachsteinkalk. Vielerorts ist als typisches Fossil die Kuhtrittmuschel (Megalodus) vertreten.

Predigtstuhlschacht XVII (1815/240)

Basisdaten: L 35 m, H -26 m, He 13 m, Sh 1542 m.
Lage: In der westlichen, höherliegenden Hälfte des Predigtstuhls, zentral zwischen Latschengassen gelegen. Blatt Nr. 4210 (UTM) bzw. 71 (BMN) der ÖK50.
Zustieg: Der Zustieg erfolgt durch das Seetal bis zum Obersee und von dessen SW-Ufer durch das Rotmoos und schließlich weglos Richtung WSW über zum Teil steiles Waldgelände in die Talfurche des Lärchengrabens. In einer Seehöhe von ca. 1500 m verlässt man den Graben und steigt südlich zum Predigtstuhl auf. Nach 200 m erreicht man ein zentral gelegenes Karrenfeld, an dessen Westseite sich der Predigtstuhlschacht XVI (1815/239) befindet. Von hier durch Latschengassen in Richtung SSW gelangt man nach 80 m zum Einstieg.
Beschreibung: Vom 10 m langen, bis 2 m breiten Einstieg steigt man von der Westseite steil über Gras und Humus in der schmäler werdenden Einstiegskluft ab. Bei einer 1,5 m tiefen Kletterstelle über labile Klemmblöcke verschmälert sich die Kluft auf einen halben Meter und geht in 8 m Tiefe in einen geräumiger werdenden Schacht über. An der Abbruchkante lagern zahlreiche Blöcke und eine kleine Schneezunge. Etwa 2 m darüber kann bei einem markanten Klemmblock auf einen schmalen Absatz gequert werden, der bis zur östlichen Raumbegrenzung zieht. Die nördliche Schachtwand ist in diesem Bereich teilweise mit dicken Wandsinterfragmenten überzogen. Hier befindet sich auch der Abseilpunkt (zwei 8-mm-Spit) zum 14 m tiefer liegenden, schneebedeckten Schachtgrund mit ovalem, 5 x 3 m messenden Querschnitt. An der Ostseite ist der Schacht in der Randkluft noch 4 m tief befahrbar.
Beobachtung der Schnee- und Eissituation:
Folgende Situation wurde im August 2021 vorgefunden: Eine etwa 2 m lange Schneezunge in der Einstiegskluft bei der Abbruchkante in den Schacht, sowie ein mindestens 5 m mächtiger, den gesamten Querschnitt einnehmender Schneekegel am Schachtgrund mit einer 4 m tief befahrbaren Randkluft an der östlichen Raumbegrenzung.
Dreißig Jahre zuvor, im August 1991, stellte sich die Situation wie folgt dar: Die Schneezunge in der Einstiegskluft war etwa 4 m lang und ragte noch 2 m tief in den Schacht hinab. Die Spitze des Schneekegels am Schachtgrund lag um ca. 1,5 m höher und die Randkluft an der östlichen Raumbegrenzung war unbefahrbar schmal. Zusätzlich war fast die gesamte westliche Schachtwand unterhalb der Schneezunge mit bemerkenswerten Eisbildungen überzogen. Bei einer Außentemperatur von um die 30° C gefror das am Schneekegel im Schachtgrund auftreffende Tropfwasser zu Eis. Außerdem wurde im Gegensatz zu 2021 aus der Randkluft Wetterführung wahrgenommen.
Erforschung und Vermessung: Die Erforschung und erstmalige Vermessung erfolgten am und durch R. u. W. Fischer und W. Fahrenberger (Fischer et al., 1992). Die Neuvermessung wurde am von R. u. W. Fischer durchgeführt.

Predigtstuhlkammer (1815/435)

Basisdaten: L 5 m, H +1 m, He 6 m, Sh 1525 m.
Lage: In der westlichen, höherliegenden Hälfte des Predigtstuhls, an dessen Südabfall gelegen. Blatt Nr. 4210 (UTM) bzw. 71 (BMN) der ÖK50.
Zustieg: Vom Predigtstuhlschacht XVII durch Latschenfelder und -gassen 100 m Luftlinie in Richtung SSW zur südlichen Flanke des Predigtstuhls, wo man etwa 3 m unterhalb der Abbruchkante auf eine kleine dolinenartige Hohlform mit den beiden Höhlen (1815/435 und 436) trifft.
Beschreibung: Am Nordrand einer 6 x 3 m messenden dolinenartigen Hohlform öffnet sich am Fuß einer Felsstufe ein 3 m breites und bis 2 m hohes Portal. Dahinter liegt eine anfangs bis 4 m breite Kammer mit annähernd ebenem, schuttbedecktem Boden. Die Raumhöhe und -breite nehmen gegen das Ende hin ab.
Erforschung und Vermessung: Die Auffindung, Erkundung und Vermessung erfolgten am durch R. u. W. Fischer.

Predigtstuhlabstieg (1815/436)

Basisdaten: L 6 m, H -2,5 m, He 5 m, Sh 1525 m.
Beschreibung: In derselben Hohlform, jedoch 5 m südlich von 1815/435 gelegen, öffnet sich an der Westseite zwischen groben Blöcken ein 1 m tiefer Abstieg, von dem zwei jeweils knapp 3 m lange, abwärtsführende Schlüfe mit Sedimentboden zugänglich sind.
Erforschung und Vermessung: Die Auffindung, Erkundung und Vermessung erfolgten am durch R. u. W. Fischer.

Dank: Die Veröffentlichung dieses Berichtes erfolgt mit freundlichem Einverständnis der Schutzgebietsverwaltung "Wildnisgebiet Dürrenstein".

Literatur: